
Geistlicher Impuls
Caritas
Jesus will Johannes, den Täufer im Gefängnis besuchen. Der Wärter fragt ihn zunächst, was er von jenem wolle. Jesus antwortet ihm: „Ich bin gekommen, ihn zu befreien.“ Der Wärter ist überrascht und fragt: „…aus seinem Gefängnis?“ Jesus aber entgegnet: „Nein. In seinem Gefängnis.“ Diese Szene aus einem Monumentalfilm über das Leben Jesu basiert zwar nicht auf einer Perikope eines Evangeliums, legt aber den Finger sehr gekonnt auf den vermeintlich feinen Unterschied zwischen sozialer Tätigkeit und caritativem Handeln.
Oberflächlich betrachtet ist die Abschaffung eines Notstandes – in diesem Fall der Gefangenschaft – hinreichend, um der Zuwendung eine Form zu geben.
Die Gefangenen zu befreien, die Nackten zu kleiden, den Armen Geld zu geben – all diese Hilfestellungen sind sicher in sich gut! Es sind Zuwendungen, die sich zweifellos als lohnende Einsätze bezeichnen lassen. Das, woran es fehlt, ist bestimmt auch nicht die gute Absicht und in diesem Rahmen ist auch das gesetzte Ziel ein gutes. Jedoch: Diese Art von Zuwendung richtet sich immer auf eine Sache: auf eben zum Beispiel die Gefangenschaft, die Nacktheit und die materielle Armut. Jene andere Zuwendung, die Liebe, die Caritas zielt nie auf eine Sache, sondern immer auf den Menschen.
Die Veränderung des Sachzustandes ist im Plan enthalten, aber zweitrangig. Die ledigliche Bemühung, Abhilfe von Missständen zu schaffen, die aktive Veränderung durch Zuwendungen von finanziellen Mitteln, von Lebensmitteln, Kleidern, Unterkünften unternimmt zweifellos notwendige Schritte, in Not geratenen Menschen zu Hilfe zu kommen. Vielleicht aber gerät dennoch dabei der ganze Mensch aus dem Blick, der eben nicht „vom Brot allein“ lebt. Der Begriff der Caritas oder auch Diakonie umfasst ein sehr großes Gebiet kirchlichen Handelns. Die weitverbreitete Reduktion auf soziales Handeln stellt eine Engführung auf die Sache dar, die der Realität nicht entsprechen sollte. Die Not der Menschen hat sehr viele Gesichter, auf die das rein soziale Handeln mit seiner Bemühung, Abhilfe zu schaffen, viele Antworten geben kann. Die Menschen brauchen eben die oben bereits genannten Güter: Essen, Wohnung, Geld. Die Erfahrung zeigt aber, dass der Umgang mit den gegebenen Mitteln häufig das ist, woran es eigentlich mangelt.
Der Vergleich von Problemen extrem unterschiedlicher Einkommenskategorien führt zu dem Eindruck, dass Glück und Zufriedenheit eher abhängig sind von der persönlichen Einstellung zu äußeren Umständen als von eben diesen äußeren Umständen. Es ist natürlich wichtig, den bedürftigen Menschen Hilfe in der Sache angedeihen zu lassen. Die deutschen Bischöfe beweisen ein angemessenes Quantum an Sensibilität, wenn sie die Krankheit als Krise des ganzen Menschen bezeichnen und neben den sachdienlichen Hilfen der medizinischen und pflegerischen Betreuung auch menschliche und geistliche Zuwendung postulieren. Hier setzt zum Beispiel das Handeln der überregionalen Caritas-Organisation und der Caritas-Konferenzen vor Ort an. Es handelt sich dabei um gesellschaftliche Faktoren, die konkurrenzlos und nicht ersetzbar sind. In ihren verschiedenen Werken der Nächstenliebe, gegenseitiger Hilfe wie auch missionarischer Arbeit legen sie ein christliches Zeugnis ab. Insofern ist die tätige Nächstenliebe nicht nur gesellschaftlicher Auftrag, sondern die Verkündigung eines Menschen: Jesus Christus.
Einen schönen Sommer wünscht Ihnen
Ihr Pastor
Thomas Kubsa

Pastor Thomas Kubsa