
Mut zum Ich
Gott traut mir — uns etwas zu!
Vertrauen — Vertrauensverlust: zwei Begriffe, die wir nicht nur in der Politik beobachten können. Im Zusammenhang mit dem Umgang mit Verabredungen, Verträgen, Gesprächen. Auch im zwischenmenschlichen Bereich gehört für das Gelingen von Beziehungen das Vertrauen unbedingt dazu.
Um Vertrauen geht es auch im heutigen Evangelium im Gleichnis von den anvertrauten Talenten. Ein reicher Mann vertraut drei Mitarbeitern sein Vermögen an. Die Summe ist nicht gerade wenig. Ein Talent würde heute ca. eine halbe Million Euro wert sein. So bekommt also der Erste zweieinhalb Millionen, der Zweite eine Million und der Dritte eine halbe Million Euro, um damit zu wirtschaften. Jeder soll das nach seinen Fähigkeiten machen. Diese Aufgabe ist sehr verantwortungsvoll, denn sie werden zu Vermögensverwaltern eingesetzt. Interessant ist nun, wie diese drei jetzt mit ihrer Verantwortung umgehen. Zwei Mitarbeiter stellen ihre Fähigkeiten unter Beweis und verdoppeln das ihnen anvertraute Geld. Wie sie das tun, davon wird nicht berichtet.
Der Dritte aber entscheidet sich, gar nichts zu tun. Ängstlich vergräbt er das viele Geld bis der Eigentümer wieder kommt. Doch dieser sichere Weg — wie dieser Mitarbeiter denkt — führt in eine Sackgasse. Am Ende bleibt ihm gar nichts.
Ihm wird auch noch das wenige Geld weggenommen, aber nicht, weil er keine Gewinne erzielt hat — auch hat er keine Verluste gemacht — sondern weil er untätig geblieben ist. Seine Kollegen aber erhalten noch mehr Verantwortung. Ihnen wird noch mehr Geld anvertraut.
Nun ist dieses Gleichnis keine Anleitung für Finanz- oder Alltagsgeschäfte. Gleichnisse ziehen – wie der Name schon sagt – einen Vergleich: Sie versuchen an der Lebenswirklichkeit der Menschen anzuknüpfen, stellen aber gewohnte Denkweisen in Frage und vermitteln uns etwas, was unsere Wirklichkeit übersteigt, ja manchmal sogar auf den Kopf stellt: So geht es eben bei Gott zu. In unserem Gleichnis geht es um mehr als um Geld!
Dieses Gleichnis will uns etwas über die Beziehung Gott — Mensch sagen. Und diese ist — wie jede Beziehung — von Vertrauen geprägt. Gott vertraut dem Menschen, er traut jedem Menschen etwas zu. Er stattet ihn mit “Vermögen” aus und er weiß um seine Fähigkeiten. Dieses Vermögen aber soll zum Einsatz kommen. Egal ob gering oder hoch begabt — jeder Mensch soll seine Fähigkeiten, seine Talente zur Entfaltung bringen! Nicht im materiellen Besitz liegt das wahre Vermögen, sondern in dem, was ich bin und was ich zu tun im Stande bin.
In der kommenden Welt wird man dich nicht fragen: Warum bist du nicht Bischof gewesen? Man wird dich auch nicht fragen: Warum bist du nicht Minister gewesen? In der kommenden Welt wird man dich nur fragen: Hans…, warum bist du nicht Hans gewesen? Das ist die zentrale, die grundlegendste Frage, um die es im heutigen Gleichnis geht. Dieses Gleichnis fordert uns auf, die Persönlichkeit zu werden und zu sein, als die Gott uns geschaffen hat. Weil Gott mir vertraut, kann ich mir auch selber vertrauen und dadurch “Mut zum Ich” beweisen. Denn jeder von uns ist berufen, die Welt zu gestalten und am Reich Gottes mitzubauen! Gott zählt auf mich, Gott zählt auf dich!
So wünsche ich Ihnen und Ihren Familien einen guten Sonntag,
bleiben Sie gesund,
Wolfgang Herz, Gemeindereferent

Wolfgang Herz, Gemeindereferent