Machtgebaren zur Zeit Jesu — aber bei euch soll es nicht so sein
Vom Streit um Sitzplätze, wenn auch um himmlische, wird uns an diesem Sonntag beim Evangelisten Markus berichtet.
Da sollte man doch meinen, dass es damals nicht so menschlich zuging — Die beiden Jünger Jakobus und Johannes wollen „oben sitzen“. Sie denken wohl an damit verbundene Privilegien und haben offenbar keine Ahnung, was Jesus wirklich meint, wie er tickt, und das nach all dem, was sie ja bisher schon von ihm gehört hatten. Das Machtgebaren der beiden Jünger erzeugt Streit und Missgunst unter der Jüngerschaft.
Und wie es in der damaligen Zeit üblich war, haben die Brüder möglicherweise gedacht, dass sie die geistigen Erben Jesu seien und an seiner Stelle die Machtposition einnehmen.
Jesus aber hatte eine andere Vorstellung von Macht. Macht bedeutet für ihn die Berufung zu dienen. Darum korrigiert er sie sofort und gebietet ihnen diese Macht nicht zu missbrauchen.
Das Wort Missbrauch hat in unserer Zeit viele Bedeutungen.
In jedem Fall hat es mit der Macht zu tun … Genau wie die Jünger, haben viele Christen, unter ihnen auch viele Verantwortliche, die Bedeutung ihrer Berufung nicht verstanden oder falsch verstanden und sie missbraucht.
Als Kirche und als Christen insgesamt sind wir hier noch weit entfernt davon, heroische Vorbilder zu sein. Wir können uns nur immer wieder neu schenken lassen, was uns Jesus eröffnet: die Freiheit des Neubeginns und des immer wieder neuen Verstehens dessen, wie Gott unser Leben und unsere Welt zu einem guten Ziel führen will. Und wir können uns ermutigen lassen, uns in die Nachfolge hineinzugeben, in der uns kein Lohn versprochen, aber ein großer Gewinn verheißen ist: nämlich eine gerechtere Welt, in der Jesu Kultur der liebenden Hingabe spürbar wird.
Was könnte das praktisch heißen. Ich habe zum Schluss eine kleine Geschichte zum Mitnehmen:
Ein Polstersessel und ein Stuhl standen schon sehr lange nebeneinander. Immer wieder wählten die Menschen den Sessel und der einfach Holzstuhl ging leer aus, dabei fühlte er sich stark und gesund und hätte gerne etwas getan. Wie kommt es eigentlich, dass man dich so bevorzugt, fragte er eines Tages den Sessel.
Ich — gebe nach, sagte langsam der Sessel und lächelt.
Ihr
Wolfgang Herz,
Gemeindereferent

Wolfgang Herz, Gemeindereferent