Gemeindereferentein Rita Dransfeld
Mit dem Erntedankfest erinnern Christinnen und Christen an den engen Zusammenhang von Mensch und Natur. Gott für die Ernte zu danken, gehörte zu allen Zeiten zu den religiösen Grundbedürfnissen.
Einer, der eine besonders enge Verbindung zur Natur hatte, war Franziskus. Ein reicher junger Mann aus der italienischen Stadt Assisi kam nach einer Zeit der Gefangenschaft, die er in einem Kerker verbracht hatte, zu der Erkenntnis, dass Reichtum nicht sein Lebensziel sein könnte. Er ging den radikalen Weg, verzichtete auf sein Erbe, legte seine kostbaren Gewänder ab und blieb sein Leben lang arm.
Seine enge Verbundenheit zur Natur drückte er in einem großen Loblied aus, dem Sonnengesang:
… Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest. Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz: Von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester Mond und die Sterne; am Himmel hast du sie gebildet, klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr, durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken und heiteres und jegliches Wetter, durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.
Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester Wasser, gar nützlich ist es und demütig und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr, durch Bruder Feuer, durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter. …
Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.
Liebevoll und mit viel Respekt spricht Franziskus von dem, was Gott uns geschenkt hat. Aktuell wie nie, könnte man dieses Loblied auch „Nachhaltigkeits-Hymne“ nennen — geprägt von Dankbarkeit und Demut, wie der letzte Satz es ausdrückt. Zwei Haltungen, die, wie mir scheint, ein bisschen aus der Mode gekommen sind. Der Begriff Demut klingt sogar fast antiquiert. Ich habe mich auch sehr lange schwer getan mit diesem Wort, klang es mir doch immer zu sehr nach dienen und einer devoten Haltung. Aber in Zeiten, wo wir gerne alles in der Hand und unter Kontrolle haben, habe ich das Wort für mich neu entdeckt: Demut als Gegenspieler von Größenwahn und Ichbezogenheit, als Zeichen dafür, dass wir begrenzt und auf andere angewiesen sind. So bekommt der Sonnengesang für mich noch einmal eine ganze andere Dimension. Leben ist Geschenk und einmal zu danken für alles, was Gott uns in der Natur schenkt, erdet mich und bringt mich dazu, auch für das Selbstverständliche dankbar zu sein.
Ihre Rita Dransfeld