Geistlicher Impuls
vom 19. April
Ist die Pandemie eine Strafe Gottes?
Liebe Brüder und Schwestern,
Diese Frage, liebe Brüder und Schwestern, wird mir in den letzten Tagen und Wochen häufiger gestellt. Das kann gar nicht sein, so antworten unisono die Theologinnen und Theologen, weil eine solche Annahme unserem Gottesbild widerspricht, als ob es darauf ankäme, welches Bild sich unsere Theologinnen und Theologen von Gott machen.
Schauen wir in die Heilige Schrift, was Jesus uns sagt. Lk 13, 4–5 lesen wir: „Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten, alle anderen Einwohner von Jerusalem aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.“ Was heißt das für uns? Nun: Die Frage, ob persönliche Schuld für ein Unglück verantwortlich ist, ist nicht zielführend. Es kommt vielmehr darauf an, das Unglück als Aufruf zur Umkehr zu begreifen. Bekehrt euch! Macht nicht so weiter wie bisher!
Eine zweite Stelle aus der Heiligen Schrift möchte ich zitieren. Joh 9, 1–3 lesen wir: „Jesus sah unterwegs einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, sodass er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden.“ Die Verneinung der Verantwortlichkeit persönlicher Schuld für ein physisches Übel bezieht sich hier jedoch nur auf den Einzelfall. Allgemein gibt Jesus keine Antwort. Er sagt vielmehr: Das physische Übel dient in diesem Einzelfall der Verherrlichung Gottes. Können wir hieraus eine Erkenntnis für unsere Leitfrage ableiten?
Vielleicht so, wie es der päpstliche Hausprediger P. Raniero Cantalamessa bei seiner diesjährigen Karfreitagspredigt ausdrückte. Er sprach nicht über die Ursache, sondern über die Auswirkung des Todes Christi: „Es gibt eine Wirkung, die wir in der gegenwärtigen Situation besonders gut erfassen können. Das Kreuz Christi hat die Bedeutung des Schmerzes und des menschlichen Leidens verändert – jede Art von Leiden, physisch und moralisch. Es ist nicht länger eine Strafe, ein Fluch. Es wurde an seiner Wurzel erlöst, als der Sohn Gottes es auf sich nahm. Was ist der sicherste Beweis dafür, dass ein Getränk, das uns jemand anbietet, nicht vergiftet ist? Es ist der Beweis, wenn diese Person vor uns aus demselben Kelch trinkt. Das ist es, was Gott getan hat: Am Kreuz trank er vor der ganzen Welt aus dem Kelch des Schmerzes bis auf den letzten Tropfen. Auf diese Weise zeigte er uns, dass er nicht vergiftet ist, sondern dass sich am Boden eine Perle befindet.“ Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung – so beten wir, und wir bekennen die Auferstehung von den Toten.
Wiederum grüße ich Sie und Ihre Lieben von Herzen in dieser schweren Zeit. Auch weiterhin können noch keine öffentlichen Gottesdienste stattfinden. Doch bleiben wir im Osterglauben und im Gebet verbunden.
Ihr Dr. Norbert Bathen
Pfarrer
Dr. Norbert Bathen
Pfarrer