Ich sehe was, …
…was Du nicht siehst…
Meine Oma hat gern mit uns dieses Spiel am Küchentisch, im Wohnzimmer oder mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad im Garten gespielt. Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist… hier wurde die Farbe des Gegenstandes genannt, den meine Oma im Blick hatte. Wer auflösen konnte, durfte weitermachen. Das überall und zu jeder Zeit zu spielende Spiel verlangt hohe Konzentration, es schult den Blick und übt die Fähigkeit, mit den Augen der und des anderen zu schauen. Gleichzeitig kann ich Dinge erkennen, die ich vorher noch nicht gesehen habe. Menschen sehen oftmals nur Dinge, die sie kennen oder womit sie rechnen. Auf das Neue oder das Andere machen mich meine Mitmenschen aufmerksam und ich kann durch sie mein Sichtfeld erweitern.
In der Bibel bedeutet sehen, glauben zu können. Blindheit steht für Orientierungslosigkeit, für Einsamkeit und sogar als Folge für die Sünde. Im Johannesevangelium wird im 9. Kapitel (Joh 9, 1–41) von der Heilung eines Blindgeborenen erzählt. Mit drei Sichtweisen werden wir konfrontiert. Die Jünger schauen fragend auf den Blindgeborenen. Jesus schaut verheißungsvoll auf ihn und die Pharisäer schauen mit traditionellen und somit bekannten Blick auf den blinden Menschen. Am Ende der Erzählung wird aus dem Blinden ein Sehender und aus den Sehenden Blinde.
Jesus lehrt einen neuen Blick und stärkt unsere Augen des Herzens, damit wir nicht nur mit unseren gewohnten und vertrauten Gedanken und Bildern von Mensch und Welt unterwegs sind. Die Heilung des Blinden geschieht durch zwei Handlungen. Zunächst macht Jesus einen Teig aus Erde und Speichel, den er auf die Augen des Blinden streicht. Am Anfang formt Gott den Menschen aus der feuchten Erde und belebt ihn mit seinem lebendigen Geistatem. Was Jesus hier tut ist Neuschöpfung – er führt den Blinden ins Leben, indem er ihn erdet und mit der Wirklichkeit seines Lebens in Berührung bringt. Dann geht der Blinde zum Teich des Gesandten und wäscht sich darin, was ein Bild für die Taufe ist. Als getaufte Menschen stellen wir uns der Wirklichkeit unseres Lebens und der Welt. Wir dürfen unsere Augen vor uns und ihr nicht verschließen, weil Jesus Christus unser guter Grund ist, um mit den Augen des Herzens und einen kritischen Geist genau hinzuschauen. Ich sehe was, was Du nicht siehst… und das ist…. möge es versöhntes Leben sein.
Ihr Pfarrer D. Salzmann
Pfarrer Dirk Salzmann